13. Kapitel

in dem Salomé von Erlach Staatsanwalt Zwahlen zusammenstaucht und Fausto Grobiani in Aktion tritt.

Die Stimmung auf dem Kommandoposten war gereizt, hektisch. Staatsanwalt Zwahlen setzte alle unter Strom, zuckte und sprühte nur so von bissiger Antreiberei.

So war er immer, wenn er von der Generalprokuratorin Salomé von Erlach zusammengestaucht, zusammengeschissen, zusammengefaltet worden war. Oh ja, und wie er zusammengefaltet, zusammengeschissen, zusammengestaucht worden war.

Salomé von Erlach hatte wie meist ein Nelkenfoulard getragen. Anders als sonst aber keinen schwarzen Frauen-Business-Anzug, sondern ein gemustertes rotes Kleid. Sie war aufgestanden. Der Rücken schien sie zu schmerzen. Sie streckte das Kreuz durch. Wölbte sich das rote Kleid da leicht über ihrem Bauch? Schwanger? So etwas fragte man natürlich nicht. Na, Chefin, Babybeule? Aber Zwahlen schien es, als seien ihre sonst so verkniffenen Gesichtszüge etwas weicher und lieblicher.

Dieser Eindruck hielt sich aber nur einen kurzen Moment, bis von Erlach ihn mit ihren leicht schläfrigen Augen kalt und direkt anblickte und wie immer leise, aber umso bedrohlicher und unmissverständlicher und bestimmt, Zwahlen niederstreckte: Ihre Resultate sind ungenügend. Von unseren Staatsanwälten erwarten wir mehr – mit wir meinte sie sich selbst, wie immer, wenn es ernst wurde.

Man könnte jetzt hier die höchstgelehrte Bemerkung einfügen, dass es unklar sei, ob es sich dabei um einen Pluralis Majestatis, um einen Pluralis Modestiae, einen Pluralis Praegnationis, gar einen Pluralis Sanitatis oder eine Mischung aus alldem handle. Aber wüssten wir dann mehr? Was wir wissen müssen, ist, dass es Salomé von Erlach ernst war. Sehr ernst.

Ein Toter im Zentrum für Space and Habitability, ausgerechnet. Es gibt schon zwei Drohbriefe? Und Sie kommen mit den Ermittlungen nicht vom Fleck? Können Sie sich vorstellen, welche Summen da an internationalen Forschungsgeldern nach Bern fliessen, welche Aufträge im Spitzentechnologiesektor davon abhängen, welche Reputation für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort damit verbunden ist?

Sie hielt sich ein nach Lavendel duftendes Spitzentaschentuch vor die Nase. Seit ihre Hormone so verrückt spielten, dass sie manchmal nicht wusste, ob sie gleich in einen Heulkrampf ausbrechen, jemandem das Gesicht zerkratzen oder sich übergeben würde, konnte sie Zwahlens penetrantes Rasierwasser noch schlechter ertragen als sonst.

Durch ihr Taschentuch hindurch herrschte sie ihn an: Nehmen Sie gefälligst mal den Finger raus und machen Sie Ihren Leuten Beine.

Da musste Grobiani her, nur eine von Grobianis Aktionen konnte Zwahlen in dieser Stimmung besänftigen.

Fausto Grobiani. Das war selbstverständlich nicht sein richtiger Name. Fred Gröbli hiess der Mann, den man nicht nur seiner dunklen Haare wegen und der Sonnenbrille, die er meist trug, Fausto Grobiani nannte.

Man sagte, er sei vor allem deshalb befördert worden, damit man ihn nicht mehr so oft mit einer Waffe herumlaufen lassen musste.

Hatte nicht funktioniert.

Grobiani liess am liebsten besetzte Häuser stürmen. Mit quietschenden Reifen durch die Stadt gebraust; am Steuer des vordersten Wagens Pirelli, der im Gegensatz zu Grobiani tatsächlich italienische Wurzeln hatte und Sandro Piselli hiess, wegen seiner Vorliebe für schnelle italienische Wagen und seiner forschen Fahrweise aber nur Pirelli genannt wurde.

Und so ein Einsatz, fand Grobiani, war doch eine prächtige Gelegenheit, die Mannschaft wie im Ernstfall Türen eintreten, Leute fesseln, ihnen die Augen verbinden und alles durchsuchen zu lassen. Das hielt sie bei Laune – die Mannschaft.

Fingerabdrücke, von allen ein DNA-Profil für die Datenbank, Arschkontrolle, das ganze Programm. Man hatte sie zwar per Gericht zurückzubinden versucht. Aber kümmerte das einen wie Fausto Grobiani? Wer weiss, wo die DNA dieser kleinen linken Schlampen und Autonomen-Weichschnäbeler wieder mal auftauchen würde. Pack.

Kriminaltechnische Untersuchungen, Profiling, Ballistik, Forensik – für Grobiani Klugscheisser-Zeug und linke Kacke.

Ich weiss, wenn einer lügt. Na, und dann red ich ihm gut zu. Ich kann sehr überzeugend sein. Grobiani grinste breit übers ganze Gesicht.

Und fürs ganz Grobe habe ich immer noch klein Röschen hier. Grobiani tätschelte die Ausbuchtung seiner Jacke, unter der man eine grössere Waffe als das Standardmodell der Berner Kantonspolizei vermuten musste.

Na, das konnte ja heiter werden. Bieli verdrehte die Augen. Er war ja auch nicht gerade der Feinfühlige und Zimperliche. Aber Gröblis Wildwestkraftmeiereien waren sogar ihm zu einfältig.

Gerechterweise darf man aber nicht verschweigen, dass Grobiani tatsächlich ein sagenhaftes Gespür hatte für zusammengelogene Geschichten. Nicht dass er allein auf äussere Reaktionen wie vermehrtes Blinzeln oder eine leichte Erhöhung in der Tonlage der Stimme geachtet hätte. Nein. Solche Reaktionen können zwar durchaus Hinweise auf absichtlich gemachte falsche Aussagen und bewusste Täuschung sein.

Besonders hellhörig wurde er aber, wenn sich jemand während einer Befragung nie selbst korrigierte, nie zugab, sich an etwas nicht erinnern zu können oder keine Zweifel an der eigenen Erinnerung äusserte.

Kam ein Verdächtiger ohne merkwürdige oder vielleicht überflüssige Details aus in seinen Antworten, fehlten persönliche Bezüge, also sagte einer nur, er habe einen Knall gehört, aber nicht er sei erschrocken, zusammengezuckt, dann lächelte Grobiani grosszügig. Er lächelte und saget: Schöne Geschichte, danke. Aber weisst du, Lügen braucht unheimlich viel Grips. Sich in langen Verhören nicht zu widersprechen, sich an alles erinnern können, was man schon gesagt hat und vor allem alles in einer runden Geschichte beisammenhalten zu können, das braucht ziemlich Hirnschmalz. Und ehrlich gesagt glaub ich nicht, dass du das draufhast. Da habe ich schon ganz andere gesehen.
Also. Fang nochmal von vorne an.

Grobiani zog die Ärmel seines mit feinster italienischer Wolle gestrickten Pullovers bis zur Mitte seiner stark behaarten Unterarme zurück und legte seine Pranken auf den Tisch.

Enttäusch mich nicht.

So machte er das.

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