5. Kapitel

in dem es zu den Sternenguckern in den Untergrund geht und in dem Bieli erzählt, dass er aus einem äusserst merkwürdigen Grund mal Astronaut werden wollte.

Vor dem Gebäude der Exakten Wissenschaften, wo vor über 200 Jahren ein Observatorium gestanden und wo man vor über 110 Jahren den Fundamentalpunkt, den Bezugspunkt der Schweizer Landesvermessung, gesetzt hatte, wartete schon der zuständige Leiter des Hausdienstes auf Kraut.

Perutz, stellte sich der Mann mit der runden Brille vor.

Mein Kollege Bieli und die Kollegen vom kriminaltechnischen Dienst müssten gleich da sein.

Dann geb ich Ihnen doch schon mal meine Karte, meinte Perutz, man weiss ja nie.

Perutz, Präsenzzeit von neun bis neun, las Kraut. Daneben eine Telefonnummer, eine E-Mail-Adresse und selbstverständlich das Logo der Universität. Eine etwas rätselhafte Visitenkarte, fand Kraut. Aber sie passte irgendwie zu diesem Hausdienstleiter der Exakten Wissenschaften. Dass er selbst in Wien einige Semester Mathematik studiert hatte, stand natürlich nicht auf seiner Visitenkarte. Es tat auch nichts zur Sache. Zumindest im Moment nicht.

Ein schnittiger Wagen, hinter dessen Steuer man einen rüebliroten Schopf sah, kam in flottem Tempo über die Gesellschaftsstrasse auf die Exakten Wissenschaften zu und hielt auf eineinhalb der reservierten Parkplätze vor dem Gebäude. Ramon Bieli, Krauts Fahnderkollege. Und kurz danach fuhr der Van des kriminaltechnischen Dienstes vor.

So, meinte Perutz, als das Material ausgeladen war und sich alle begrüsst und vorgestellt hatten, dann wollen wir mal. Frau Professor Wild wartet wohl schon. Sie leitet das Projekt, für das die grosse Vakuumkammer gebaut wurde, die Sie so interessiert.

Perutz ging voraus, am Empfang vorbei durchs Gebäude zum Foyer auf der Südseite. Holz, Stahl, Verputz verbreiteten den luftigen Optimismus und die Zukunftszuversicht der Vergangenheit. Perutz hatte aber so wenig wie Krissy Kraut oder Ramon Bieli Sinn für die Architektur der 50er-Jahre oder die prächtige Aussicht durch die Fensterfront auf das Münster, das Bundeshaus, den Glasturm des Bahnhofs, die Heiliggeistkirche und das Panorama der Berner Alpen dahinter, das einem eindrücklicher erscheinen konnte als die Statue Albrecht von Hallers, die man irgendwo rechts beim grossen Baum vermuten muss.

Perutz hüpfte federnd links die Treppe runter. Bieli hörte hinter sich die Kolleginnen und Kollegen vom kriminaltechnischen Dienst mit ihren schweren Alukoffern ächzen.

Hier muss es doch einen Lift geben, oder?

Doch Perutz war schon links um die Ecke, ging einen Gang entlang, der unter der Einstein-Terrasse hindurch vom alten Institutsgebäude zu den Räumen unten an den Bahngleisen führen musste.

Ein paar Stufen ging es nun nochmal runter, statt auf dunklem Klinkerboden gingen sie jetzt über glänzend polierten grünblauen Linoleum, in dem sich die Leuchtröhren der Deckenlampen spiegelten. Links und rechts gingen Gänge mit vielen hellen Holztüren weg. An der Decke ein Gewurstel von Röhren und Leitungen. Durch ein Fenster sahen sie auf die Bahnhofseinfahrt, über die eben der Intercity aus Zürich ruckelte und schwankte; die Treppe rechts führte in den Untergrund. Reinraum C38, zeigte die Stockwerkübersicht.

Unten in den Räumen des Center for Space und Habitability begrüsste sie Professorin Paula Wild sehr freundlich und mit angenehm klingendem Glarner Dialekt.

Bieli staunte – er hatte die Professorin schon mal im Fernsehen gesehen, als einer ihrer Satelliten auf einem Planeten oder auf einem stinkenden Kometen gelandet war.

Raumfahrt, meinte er dann bewundernd und fast etwas verträumt, ich meine Space und so. Schon interessant. Wissen Sie, als ich seinerzeit die Challenger im Fernsehen explodieren sah, wollte ich auch Astronaut werden. Ich hab erst später begriffen, dass die ja alle tot sind, und hab mich dann doch für Fussball und die Polizei entschieden.

Paula Wild schaute Bieli etwas irritiert an und fuhr sich dann ratlos durchs kurze graue Haar. Kraut und die Kolleginnen und Kollegen des kriminaltechnischen Dienstes guckten routiniert zur Seite. Sie kannten Bieli und hatten mehr als genug Erfahrung mit seinen besonderen Auftritten.

Nun, sagte Kraut in die peinliche Stille, Sie sollen eine grosse Vakuumkammer hier in ihrem Center stehen haben.

Eine Thermalvakuumkammer, ja, haben wir, und ja, sie ist nicht gerade munzig. Drei auf zwei Meter gross und fünfeinhalb Tonnen schwer.

Drei auf zwei Meter gross, fragte Kraut, würde da ein Mensch hineinpassen?

Schon, antwortete Wild. Aber was sollte ein Mensch darin wollen? In einer Vakuumkammer überleben Sie nicht sehr lange.

Eben, sagte Kraut. Dürften wir uns die Kammer einmal ansehen?

Sie steht in einem Reinraum, verstehen Sie. Sie können nicht einfach so in einen Reinraum rein.  

Wenn sich unser Verdacht bestätigt, ist es mittlerweile kein Reinraum mehr.

Paula Wild überlegte kurz. Gut, wir machen es so, wir gehen zu dritt rein, Sie, Perutz und ich. Und dann schauen wir weiter. In Ordnung?

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